Ortsfamilienbücher im Südhessischen Odenwaldkreis

Die nachfolgende Dokumentation wurde kürzlich im Heft 1/24 der Zeitschrift ”Hessische Genealogie” veröffentlicht und soll den Besuchern unserer Webseite nicht vorenthalten werden. Die Zeitschrift wird vierteljährlich von der Hessischen Familiengeschichtlichen Vereinigung e.V. herausgegeben.


Ortsfamilienbücher im südlichen Odenwaldkreis

von Manfred Heiss, Unter-Sensbach

Den Familienforschern im südlichen Odenwaldkreis stehen mittlerweile 17 Online-Ortsfamilienbücher zur Verfügung, darunter nicht nur alle Ortsteile der 2018 neu konstituierten Stadt Oberzent, sondern auch weitere angrenzende Ortschaften, wobei alleine Beerfelden fast 54000 Personen und 13000 Familien beinhaltet. Der Hauptteil der Daten stammt aus den Kirchenbüchern der Kirchspiele Beerfelden und Rothenberg, aber auch andere Quellen sind mit eingeflossen, z. B. aus den Kirchenbüchern von Michelstadt und Erbach. Von der Erfassung der ersten Daten bis zu den nun veröffentlichten Ortsfamilienbüchern war es ein langer Weg, der vor über 40 Jahren in Unter-Sensbach begann.


Abschrift der Beerfelder Kirchenbücher durch Ernst Walz

Die systematische Erfassung der Kirchenbücher der ev. Kirchengemeinde Beerfelden begann Ende der 1970er Jahre. Ernst Walz, Maurermeister aus Unter-Sensbach, stellte ab diesem Zeitpunkt die Geschichte seiner Vorfahren zusammen. Doch schon bald kam er an einen Punkt, an dem er an Familien- und Ortsgrenzen stieß und sich neue Ziele setzen musste. Als Mitglied des Kirchenvorstandes hatte er gute Kontakte zu Dekan Ludwig Köpp, der es ihm ermöglichte den kompletten Bestand an Kirchenbüchern im ev. Gemeindebüro in Beerfelden einzusehen und abzuschreiben. Durch einen glücklichen Umstand hatten die Kirchenbücher den großen Stadtbrand von Beerfelden im Jahr 1810 in der Sakristei der damals ebenfalls niedergebrannten Martinskirche relativ unbeschadet überstanden. 

Die damalige Arbeitsweise von Ernst Walz kann man sich heute - gut 40 Jahre später - kaum noch vorstellen. Heiraten, Geburten und Sterbefälle wurden zunächst mussten einzeln auf kleinen Zetteln erfasst und die Familien in Zettelkästen alphabetisch zusammengestellt werden. Danach musste alles von Hand abgeschrieben werden. Allein der Bestand vom Jahr 1677/78 bis 1807 ergab fast 900 Seiten in zwei Leitz-Ordnern - alles von Hand geschrieben. Hinzu kam ein weiterer Leitz-Ordner mit noch einmal 400 Seiten mit Familien aus dem Sensbachtal im Zeitraum von 1808 bis 1875.

Im Jahr 1985 war diese Arbeit abgeschlossen und das Werk wurde der Kirchengemeinde, der Stadt Beerfelden, dem Kreisarchiv des Odenwaldkreises und weiteren Nutzern übergeben.


Heinz-Otto Haag, Michelstadt

Etwa zur gleichen Zeit arbeitete Heinz-Otto Haag an der Erfassung der Kirchenbücher von Michelstadt, Erbach und Güttersbach. Er verwendete dazu bereits ein Ahnenprogramm mit dem Betriebssystem MS-DOS. Die besondere Schwierigkeit lag darin, dass ein Kirchenbuch von Güttersbach, in dem Taufen, Heiraten und Sterbefälle von 1750 bis 1800 enthalten waren, “verschwunden” war und ist. Über die erhaltenen Konfirmationslisten und weitere erhaltene Unterlagen gelang es ihm jedoch diese Daten in äußerst mühevoller Arbeit in weiten Teilen zu rekonstruieren.

Er gab dann die Abschriften von Ernst Walz am PC ein. Diese Aufzeichnungen gingen für den Bereich des Kirchspiels Beerfelden wie oben bereits erwähnt aber lediglich bis etwa zum Jahr 1807. Durch den Kontakt mit dem Vorstand des Heimat- und Geschichtsvereins in Person der beiden Vorsitzenden Pfarrer Dieter Borck, Schöllenbach, und Inge Groß, Beerfelden, reifte der Gedanke auch die weiteren Jahrgänge ab 1808 - aber jetzt gleich vom Original - am PC zu erfassen. 


2005 bis 2018 Teamarbeit durch den Heimat- und Geschichtsverein Oberzent

Vorsitzender Dieter Borck stellte hierzu einen entsprechenden Antrag an den Kirchenvorstand, den dieser in seiner Sitzung am 19. Mai 2005 genehmigte. Nun konnte mit der Arbeit begonnen werden. Als weiterer ehrenamtlicher Helfer konnte Manfred Holschuh aus Unter-Sensbach gewonnen werden. Drei Jahre später stieß noch der Verfasser zu dem Team dazu, bei dem auch die Zivis der Kirchengemeinde bei Ausfall von Personen durch Urlaub oder Krankheit aushalfen. Auch die Mitarbeiterinnen des Kirchenbüros unterstützen uns wo sie konnten. Die Arbeiten fanden zumeist donnerstags von 8.30 bis 12.00 Uhr im Kirchenarchiv in Beerfelden statt.  Anschließend wurden die Daten gesichert und ein USB-Stick mit weiteren freiwilligen Helfern von Beerfelden nach Michelstadt gebracht, damit Heinz-Otto Haag auf den aktuellen Datenbestand weiter aufbauen konnte. Dieser Stick kam dann spätestens bis Mittwoch wieder nach Beerfelden, so dass die Arbeit am Donnerstag wieder weiter gehen konnte.

Wer sich schon einmal mit der Ahnenforschung befasst hat, weiß, dass oft Fragen auftauchen, die aus dem Kirchenbuch, an dem man gerade arbeitet, nicht geklärt werden können. Gerade bei unehelichen Kindern fehlten oft genaue Angaben zu den Vätern. So tauchten im Kirchenbuch mehrfach Einträge auf, die ungefähr lauteten: “als unehelicher Vater bekennt sich Georg XY, Sohn des Georg XY von Rothenberg”. Hierbei handelte es sich aber um verschiedene Zeiten und um verschiedene Personen. Es zeigte sich, dass es zwingend erforderlich war, die Arbeiten nicht auf das Kirchspiel Beerfelden zu beschränken sondern dass Rothenberg unbedingt in diesen Prozess eingebunden werden musste.


Erfassung der Kirchenbücher von Rothenberg

Rothenberg mit seinen Ortsteilen gehörte nicht zum Kirchspiel Beerfelden. Der Ort stand nach dem Aussterben der Ritter zu Hirschhorn unter der Herrschaft verschiedener adliger Familien und kam erst Anfang des 19. Jahrhunderts durch Kauf zur Grafschaft Erbach. Von den Kirchenbüchern der ev. Kirchengemeinde Rothenberg existierte eine Abschrift, mit Schreibmaschine erfasst. Diese konnte beim Kreisarchiv des Odenwaldkreises in Erbach ausgeliehen werden und war zunächst eine große Hilfe. Aber es zeigte sich, dass es Lücken gab und Personen aufgrund häufig vorkommender gleicher Vor- und Nachnamen nicht immer korrekt zugeordnet waren. Sinnvoll war, auch hier die Daten direkt vom Kirchenbuch zu erfassen. Pfarrer Reinhold Hoffmann gab hierzu bereitwillig seine Erlaubnis. Mit Regina Beisel, der Standesbeamtin der Gemeinde Rothenberg, und ihrer Vorgängerin, der mittlerweile verstorbenen Ursula Foshag, fanden wir zwei sachkundige Mitstreiterinnen, die nach Einweisung in das Programm GES2000 in den Abendstunden in den Räumen der Gemeindeverwaltung ebenfalls Woche für Woche, zumeist dienstags, die Daten aufarbeiteten. Nur kurz möchte ich erwähnen, dass die Aktualisierung der Daten auf den einzelnen Rechnern weiterhin durch einen USB-Stick erfolgte und dieser von Woche zu Woche nunmehr zwischen den drei Orten Rothenberg, Beerfelden und Michelstadt zirkulierte.

 

Abschluss der Kirchenbuch-Erfassung und Erfassung der Daten der Standesämter

Um das Jahr 2018 waren die Kirchenbücher, sowohl die von Beerfelden, als auch die von Rothenberg, im Prinzip bis zum Jahr 1875 erfasst. Was fehlte, waren neuere Daten, die in den Unterlagen der Standesämter zu finden waren. In Hessen gibt es hierzu, wie auch in einigen anderen Bundesländern, ein landesgeschichtliches Informationssystem LAGIS, in dem von vielen Standesämtern die nicht mehr dem Datenschutz unterliegenden Daten, von Geburten bis zum Jahr 1900, von Heiraten bis 1925 und von Sterbefälle bis 1937, teilweise auch noch weiter, einsehbar sind. Der Verfasser machte sich nun daran, zunächst die Daten von den 13 (!) kleinen Standesämtern, die nunmehr zur Stadt Oberzent zusammengefasst sind, mit den Daten weiterer kleinerer Standesämter im südlichen Odenwaldkreis (Mossautal, Stadtteile von Erbach) in den gemeinsamen Datenbestand einzuarbeiten.

 

Veröffentlichung der Daten über Ortsfamilienbücher

Allein an den Kirchenbüchern des Kirchspiels Beerfelden wurde rund 13 Jahre lang gearbeitet. Der Datenbestand umfasst nunmehr über 185.000 Personen und über 56.000 Familien. Diese jahrelange Arbeit sollte aber nicht im Verborgenen bleiben sondern allen interessierten Personen kostenlos und möglichst einfach zur Verfügung gestellt werden, im Gegensatz zu den kommerziellen Portalen im Internet, die zumeist aus den USA betrieben werden. Hierzu bot sich die vom Verein für Computergenealogie neben anderen Datenbanken betriebene Plattform der Online-Familienbücher (www.ortsfamilienbuecher.de) an, die es mittlerweile von über 1.000 Orten, zumeist aus Deutschland, aber z.B. auch aus den früheren Ostgebieten, gibt. Diese Arbeit ist noch lange nicht abgeschlossen. Im Odenwald gibt es hierzu z.B. eine aktive Bezirksgruppe der Hessischen Familiengeschichtlichen Vereinigung, Darmstadt, mit vielen Forscherkollegen, die untereinander rege Kontakt hält und sich in der Regel vier Mal im Jahr trifft. Adressen von Ansprechpartnern und Termine können unter http://hfv.ourewald.de eingesehen werden. Gäste sind bei diesen Treffen gerne willkommen.

Das Team des Heimat- und Geschichtsvereins Oberzent im Kirchenbüro in Beerfelden, von links Manfred Holschuh, Inge Groß, Heinz-Otto Haag und Manfred Heiss.

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