Mistbär in der Feldscheune

Die meisten werden den Artikel im Oberzent aktuell für das genommen haben was er ist, eine witzige Geschichte, welche Lust machen soll, sowohl diese Webseite, als auch unser Museum und sein Außengelände zu besuchen. Wer aber voller Sorge um ein seltenes Lebewesen diese Seite aufgerufen hat, sei beruhigt, die Gras- oder Mistbär besteht aus Holz.

Sie ist auch keine Erfindung der Fantasie des Verfassers. Tatsächlich ist es dem Ehrenvorsitzenden des HGVO Herrn Dieter Borck gelungen, eine solche Bär an der Scheune der Familie Brand in Schöllenbach ausfindig zu machen. Dass die Besitzer dann auch noch bereit waren, das landwirtschaftliche Gerät für das Museum zu stiften, ist für uns eine besondere Freude. Dafür nochmals unseren herzlichen Dank.

Hier nun der offizielle Text:

 

Die Gras- oder Mistbär
von Dieter Borck

Das Frühneuhochdeutsche Wörterbuch nennt das Gerät "Mistbäre".

Wo die Äcker steil waren, konnte man den Mist nicht mit dem Kuhfuhrwerk auf den Acker bringen und direkt verteilen. Er wurde in vielen Orten im Odenwald mit einer Mistbäre von zwei Personen auf den Acker getragen. Das Gerät, das in Schöllenbach Mistbeer genannt wird, heißt anderweitig Mistbär, hochdeutsch: Mistbahre. Die Trage mit dem abgerundeten Mittelstück ist in der Regel eine Mistbär. Auch junge Burschen, die sich bei der Kerwe betrunken hatten, wurden mit der Mistbär heimgetragen. Das war aber entehrend.

Das Gerät, mit dem das frisch geschnittene Futtergras aus der nassen Wiese zum Fuhrwerk getragen wurde, war etwas leichter gebaut und hieß entsprechend Grasbeer / Grasbäre / Grasbahre. Für das Tragen von Gras brauchte man keine so schwere Ausführung. Dafür hatte man eine Trage, die einfach und gerade war.

Ich habe einen alten Landwirt zur Benutzung der Grasbär befragt: „Mein Vater ist mit mir abends (Nebenerwerb) mit dem Kuhfuhrwerk zur Wiese gefahren. Wir haben Futter gemacht und mit der Trage das Gras aus der Wiese zum Fuhrwerk getragen. Dann ist es nach Hause gefahren und im Stall in den Futtergang geworfen worden. Es musste relativ schnell verfüttert werden, denn wenn es innerhalb des Haufens anfing zu gären, hat das Vieh einen aufgeblähten Leib bekommen.“ In Gammelsbach gab es dieses Gerät auch. Auch anderweitig, zum Beispiel in Nähe von Bautzen, gab es solche Geräte. Ebenso in Frankreich.

Die beiden Fotos sind 1972 in der Zeitschrift des Breubergbundes “Der Odenwald“ Heft 4 erschienen. Besten Dank für die Erlaubnis, die Abbildungen hier zu verwenden. Bei den beiden Trägern der Grasbär handelt es sich übrigens um August und Wilhelm Siefert.

 

Gotthilde Güterbock (*1909 bis 1992)

ist bei beiden Aufnahmen als Fotografin genannt. Der Breubergbund hat dieser engagierten Geschichts- und Heimatforscherin ein schriftliches Denkmal gesetzt.  Mit dem Band “Zur Kultur und Geschichte des Odenwaldes – Festgabe für Gotthilde Güterbock“, wurde ihrem Schaffen eine ehrende Erwähnung zu Teil. Auf Seite 219 befindet sich der Aufsatz von Peter Assion über das wissenschaftliche Werk von Gotthilde Güterbock. Sie setzte bei ihren Forschungen in weitem Umfang die Fotografie als Mittel zum Beleg ihrer Erkenntnisse ein.

 

Geschichte

Man kann davon ausgehen, dass zumindest schon im Mittelalter, vermutlich aber noch viel früher, gleichartige Geräte in der Landwirtschaft zum Einsatz kamen. Texte mit Erwähnung der Mistbär liegen bereits aus dem 16. Jahrhundert vor. Hier zumeist als Trage für Personen, in mehr oder weniger selbstverschuldeter hilfloser Lage und dem Spott der Gemeinschaft ausgesetzt.

Auf der Lithografie des französischen Malers Camille Pissarro “Heu tragende Frauen“ um 1874 sieht das schon genauso aus.

Abbildung aus: www.zeno.org – Henricus – Edition Deutsche Klassik GmbH.

 

 

Wilfried Michel erzählte mir: „In Beerfelden hatten wir auch bewässerte Wiesen. Aber bei uns wurde das Futter mit einem Tuch aus der Wiese getragen!“ 

Karl Gärtner, Unter-Sensbach bei der Heuernte mit dem Futtertuch. In dem steilen Gelände war das oft die einzige Möglichkeit das Heu einzubringen. Foto und Text stammen aus der Chronik 650 Jahre Sensbachtal, aus dem Jahre 2003. Besten Dank an Manfred Heiss und Roland Stumpf.




 

Die Mistbär in der Feldscheune, auf dem Außengelände des Museums der Oberzent.

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